Gefangen unter Hitler
Geschichte Rezensionen

Nikolaus Wachsmann: Gefangen unter Hitler

 

Genre: Geschichte

Verlag: Siedler Verlag

Erschienen: 22. September 2006

Seitenanzahl: 624 Seiten

Preis: 28,00 € Gebundenes Buch

 

Gefangen unter Hitler

 

Inhalt von „Gefangen unter Hitler“

Über nationalsozialistische Konzentrationslager ist viel geschrieben worden, die Gefängnisse des Hitler-Staats aber blieben bisher unbeachtet. Mit seiner ebenso fundierten wie beklemmenden Gesamtdarstellung lotet Nikolaus Wachsmann die Rolle des Strafvollzugs im NS-Herrschaftssystem aus. Dadurch erhält eine bisher vernachlässigte Gruppe von Opfern des Nationalsozialismus Gesicht und Stimme.

In den Jahren von 1933 bis 1942 waren sehr viel mehr Menschen in den Gefängnissen der Nationalsozialisten inhaftiert als in den Konzentrationslagern. Wer das Terrorsystem des »Dritten Reichs« verstehen will, muss diesen bisher vernachlässigten Aspekt nationalsozialistischer Verfolgungs- und Gewaltmaßnahmen in den Blick nehmen. Nikolaus Wachsmann hat diese Forschungslücke durch seine vielfach ausgezeichnete und anhand zahlreicher, bisher unbeachteter Quellen erarbeitete Darstellung eindrucksvoll geschlossen.

Der Autor geht dem Neben- und Durcheinander der Verwaltung unter der Nazidiktatur nach und fragt, wer eigentlich die angeblichen Straftäter waren, die in Hitlers Gefängnissen saßen. Die Justiz, so eine seiner Thesen, spielte innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs eine zentrale Rolle bei der Kriminalisierung politisch Andersdenkender.

Die Schilderung des Strafverfolgungs- und Gefängnissystems dient auch dazu, mit hartnäckigen Fehlurteilen aufzuräumen: etwa mit der lange Zeit weit verbreiteten Ansicht, im Gegensatz zu den Konzentrations- und Vernichtungslagern habe in den Nazigefängnissen Recht und Ordnung geherrscht, die dort Inhaftierten hätten dort »zurecht« gesessen. Mit »Gefangen unter Hitler« liegt erstmals eine fundierte Gesamtdarstellung zu dieser wichtigen Thematik vor.

Diese mehrfach ausgezeichnete Gesamtdarstellung der Gefängnisse im NS-Staat schließt eine der letzten Lücken in der Erforschung des Nationalsozialismus.

 

Meine Meinung

Als ich „Gefangen unter Hitler“ von Nikolaus Wachsmann in die Hand nahm, war ich darauf gefasst, ein tiefgründiges und schweres Thema zu ergründen. Und das wurde auch erfüllt. Wachsmanns akribische Untersuchung der NS-Gefängnisse eröffnet eine neue Perspektive auf das nationalsozialistische Terrorregime, die bislang oft übersehen wurde.

Das Buch beginnt mit einer Einführung in den Strafvollzug der Weimarer Republik, was hilfreich ist, um die Entwicklungen unter den Nazis besser zu verstehen. Schon hier wird deutlich, wie die Nazis die bestehenden Systeme übernommen und pervertiert haben, um ihre Ideologie durchzusetzen. Wachsmann beschreibt, wie die Justiz nach der Machtergreifung bereitwillig mit der Polizei konkurrierte, um den höchsten Grad an Rechtsbruch und Willkür zu erreichen. Das Buch geht auf die brutale Realität der Gefängnisse ein, in denen Menschen willkürlich inhaftiert und zu Tode gefoltert wurden.

Ein besonders erschreckendes Kapitel befasst sich mit dem Konzept der „Vernichtung durch Arbeit“. Die Häftlinge wurden zu maximaler Arbeitsleistung gezwungen und anschließend entweder hingerichtet oder in Konzentrationslager gebracht, wo sie häufig starben. Diese systematische Ausbeutung und Vernichtung von Menschenleben wird von Wachsmann detailliert und sachlich dargestellt, was die Gräueltaten umso eindringlicher macht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle der Justiz während des Krieges. Hier zeigt sich, wie die Justiz sich noch radikalisierte, als die militärische Niederlage absehbar wurde. Besonders eindrücklich ist die Beschreibung, wie Häftlinge kurz vor Kriegsende lieber ermordet wurden, als sie den Alliierten zu überlassen.

Wachsmann räumt auch mit der Vorstellung auf, dass in den NS-Gefängnissen eine gewisse Form von Recht und Ordnung geherrscht habe. Er zeigt, dass die Justiz sich dem Terrorregime vollends untergeordnet hatte und sich selbst aktiv an den Verbrechen beteiligte.

Das Buch ist zwar dicht gepackt mit Informationen und nicht immer leichte Kost, aber die Struktur und Klarheit von Wachsmanns Argumentation machen es zu einer lohnenden Lektüre. Besonders beeindruckend ist die Tiefe der Recherche, die Wachsmann betrieben hat. Viele der Quellen und Details sind bisher kaum beachtet worden, und es ist ihm gelungen, diesen oft vergessenen Opfern des NS-Regimes eine Stimme zu geben.

Wachsmanns Buch ist nicht nur ein wertvoller Beitrag zur Geschichtsforschung, sondern auch ein Mahnmal gegen das Vergessen. Es ist ein unverzichtbares Werk für alle, die sich ernsthaft mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinandersetzen wollen. Der Stil ist zwar manchmal etwas hölzern, besonders zu Beginn, aber das tut der Qualität und Bedeutung des Inhalts keinen Abbruch.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass „Gefangen unter Hitler“ mich tief beeindruckt und oft erschüttert hat. Es ist ein Buch, das trotz seiner Schwere wichtig zu lesen ist, um die ganze Bandbreite des nationalsozialistischen Terrors zu verstehen. Wachsmann hat es geschafft, eine bisher vernachlässigte Dimension der NS-Verfolgung ans Licht zu bringen und ein umfassendes Bild des Grauens zu zeichnen. Ein lesenswertes und unverzichtbares Werk für jeden, der sich mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen möchte.


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