Inhalt von „Out of line“
Leyla ist noch ein Kind, als ihre Familie aus dem Libanon nach Deutschland flieht. Doch hier zerbricht ihre Mutter am Verlust der Heimat, und Leyla versucht ihren Schmerz zu zähmen, indem sie tanzt. Als sie nach Berlin zieht, um dort ein eigenes Tanzstudio zu gründen, belastet ihre Entscheidung die einst innige Beziehung zu ihrem Bruder Said schwer.
In Berlin trifft sie Emir wieder, Saids besten Freund. Emir, der sie in einer kalten Novembernacht geküsst hat, obwohl das gegen den Freundschaftskodex verstieß. Je näher Leyla und Emir sich erneut kommen, desto mehr wollen sie die verbotenen Gefühle zulassen. Ist ihre Liebe stärker als die dunklen Geheimnisse, die ans Licht drängen?
Meine Meinung
Out of line von Rabia Doğan erzählt eine dieser Geschichten, die sich leise an einen heranschleicht und dann plötzlich sehr nah ist, weil unter der Romance eine Menge echtes Leben liegt. Leyla ist noch ein Kind, als ihre Familie aus dem Libanon nach Deutschland flieht, und man spürt schnell, dass diese Flucht nicht einfach „Vergangenheit“ ist, sondern etwas, das sich in Körper und Alltag festsetzt. Besonders hart trifft es ihre Mutter, die am Verlust der Heimat zerbricht – und Leyla bleibt mit einem Schmerz zurück, der zu groß ist, um ihn sauber in Worte zu packen. Also spricht sie mit dem, was Worte ersetzen kann: mit Bewegung. Tanzen wird für sie Ventil, Rettungsring und Heimat in einem, ein Ort, an dem sie wenigstens für ein paar Minuten wieder atmen kann.
Als Leyla erwachsen ist, wagt sie den großen Schritt nach Berlin, um ihren Traum von einem eigenen Tanzstudio zu verwirklichen – ausgerechnet in der Stadt, die für sie auch mit den schlimmsten Erinnerungen verbunden ist. Dieses „Zurückgehen“ ist im Buch richtig spürbar: Es ist mutig und konsequent, aber auch riskant, weil die Vergangenheit dort nicht nur irgendwo im Hintergrund lauert, sondern an jeder Ecke anklopfen kann. Und dann ist da Said, ihr Bruder, der sie liebt, sie schützen will, aber dabei manchmal so kontrollierend wirkt, dass es Leyla eher einengt als stützt. Seine Sorge ist nachvollziehbar, gerade weil er selbst so viel getragen hat, aber genau diese Dynamik wird zur Belastungsprobe für ihre Beziehung – und das fand ich emotional ziemlich stark, weil es so real wirkt: Liebe kann auch drücken, wenn sie aus Angst gemacht ist.
In Berlin trifft Leyla Emir wieder, Saids besten Freund, und ab da wird es herrlich kompliziert. Dieser Kuss in der kalten Novembernacht steht wie ein unausgesprochenes Versprechen zwischen ihnen, gleichzeitig aber auch wie ein Regelbruch, der nie wirklich „abgehakt“ wurde. Emir wird in vielen Stimmen als absolute Green Flag beschrieben, weil er Leyla nicht klein macht, sondern ihr Sicherheit gibt und seine Hilfe selbstverständlich wirkt – und genau das ist ein schöner Kontrast zu Leylas Muster, alles allein tragen zu wollen. Das Buch nimmt sich Zeit, bis die beiden wirklich zueinanderfinden, und gerade dieses langsame Annähern passt zur Geschichte, weil hier niemand einfach nur „verliebt“ ist, sondern beide mit Altlasten leben: Leyla mit Trauma, Verlust und Kontrollbedürfnis, Emir mit eigenen Träumen und Erwartungen, die ihm von außen übergestülpt werden.
Was bei Out of line besonders heraussticht, ist der reflektierte Umgang mit mentaler Gesundheit. Leyla wirkt oft erstaunlich erwachsen in ihren Gedanken, gerade wenn es darum geht, Katastrophengedanken zu erkennen und nicht sofort von ihnen auffressen zu lassen. Das sind diese kleinen, wertvollen Stellen, bei denen man merkt: Das Buch will nicht nur unterhalten, sondern auch etwas mitgeben – ohne belehrend zu werden. Gleichzeitig gibt es Kritikpunkte, die in den Rezensionen immer wieder auftauchen: Manche kommen mit dem Schreibstil nicht so flüssig klar und brauchen länger, um reinzukommen, am Anfang wirken einige Dinge eher oberflächlich und drehen sich lange um den Umzug und das Ankommen, und gegen Ende hätte die Geschichte für viele gern noch mehr Raum haben dürfen, weil manche Stränge zu schnell abgeschlossen oder nicht ganz zu Ende erzählt wirken. Auch der Wunsch nach Saids Perspektive schwingt oft mit, weil er so präsent ist und man spürt, dass in ihm ebenfalls ein ganzer Berg an Schmerz steckt.
Unterm Strich ist Out of line eine emotionale Geschichte über Flucht, Verlust und Selbstbehauptung, aber auch über Liebe, die nicht „perfekt“ starten darf, weil Loyalität, Familie und alte Regeln dazwischenstehen. Es ist ein Roman, der mehr sein will als eine verbotene Lovestory – eher ein Porträt davon, wie Menschen versuchen, aus Bruchstücken etwas Eigenes aufzubauen. Und wenn man sich auf das Tempo und den Stil einlassen kann, bleibt am Ende vor allem dieses Gefühl hängen: Leyla tanzt nicht nur, weil sie es liebt, sondern weil sie sich damit Stück für Stück zurück ins Leben bewegt.







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