Doppelleben
Biographien Rezensionen

Gottfried Benn: Doppelleben

 

Genre: Biographie

Verlag: Klett-Cotta

Erschienen: 8. April 2011

Seitenanzahl: 207 Seiten

Preis: 21,80 € Taschenbuch

 

Doppelleben

 

Inhalt von „Doppelleben“

»›Doppelleben‹ ist ein großer Remix, Dichtung und Wahrheit, Klarheit und Nebelwurf. Oft genug entpuppt sich, was man für Licht hielt, als kleine Falle.« Aus dem Vorwort von Ulrike Draesner

Unter dem Titel »Doppelleben« fasste Gottfried Benn für jene berühmte Ausgabe von 1950 zwei höchst interessante Selbstdarstellungen zusammen. »Lebensweg eines Intellektualisten«, ursprünglich 1934 als selbständiger Band erschienen, kann als Plädoyer für die unumstößliche, allumfassende Bedeutung der Kunst und des Künstlertums verstanden werden.

Es ist jedoch auch Verteidigung und Positionierung seiner selbst während des Dritten Reichs.

In »Doppelleben« aus dem Jahr 1950 erörtert Benn daran anschließend sein Verhältnis zu den Nazis und seine Einstellung zur Emigration.

 

Meine Meinung

„Doppelleben“ von Gottfried Benn ist eine faszinierende Mischung aus Autobiografie und intellektueller Selbstreflexion, die mich gleichermaßen beeindruckt und verwirrt hat. Stell dir vor, du sitzt mit einem alten Freund zusammen, der dir sein Leben erzählt – nicht chronologisch und manchmal nicht einmal zusammenhängend, aber immer tiefgründig und voller Einsichten. So in etwa fühlt sich dieses Buch an.

Benn, ein Dichter und Arzt, der während der turbulenten Zeiten des 20. Jahrhunderts lebte, teilt in „Doppelleben“ zwei seiner wichtigsten Schriften: „Lebensweg eines Intellektualisten“ und „Doppelleben“. Der erste Teil stammt aus dem Jahr 1934 und der zweite Teil wurde 1950 geschrieben. Beide Texte sind beeindruckende Zeugnisse seiner Selbstreflexion und seines künstlerischen Weges.

Im „Lebensweg eines Intellektualisten“ lernst du Benn von seiner jovialen Seite kennen. Er beginnt mit Anekdoten über seine Familie, seine Bildung und seine Erfahrungen als Militärarzt. Besonders spannend fand ich seine Erörterungen über seine expressionistische Schaffensphase. Hier tauchen Figuren wie Pameelen und Rönne auf, die das moderne, gebrochene Menschenbild repräsentieren. Stell dir vor, du stehst mitten im expressionistischen Drama und fragst dich: „Was zur Hölle bedeutet das alles?“ Genau diese Frage stellt Benn und beantwortet sie auf eine Art und Weise, die gleichzeitig erhellend und verwirrend ist.

Der zweite Teil, „Doppelleben“, geht tiefer in Benns Beziehung zum Nationalsozialismus und seine Entscheidung, in Deutschland zu bleiben, ein. Er schildert seine wenigen, unglücklichen Begegnungen mit den Nazis, seine öffentliche Anfeindung und den Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer. Interessant ist auch der Briefwechsel mit Klaus Mann, der Benns Position gegenüber den Emigranten kritisch hinterfragt. Benn verteidigt seine Entscheidung mit einer Mischung aus Rationalität und fatalistischer Akzeptanz, was mich manchmal ins Grübeln brachte.

Was „Doppelleben“ wirklich lesenswert macht, ist Benns Fähigkeit, komplexe Gedanken klar und dennoch poetisch auszudrücken. Seine kunsttheoretischen Erörterungen sind faszinierend, wenn auch manchmal schwer zugänglich. Er spricht über die Destruktion als schöpferische Methode und erhebt die Kunst zu einem anthropologischen Prinzip. Dabei bleibt er stets ein Außenseiter, ein Intellektueller, der sich nie ganz der Realität oder dem Alltag verpflichtet fühlt.

Ein kleiner humoristischer Seitenhieb sei mir gestattet: Wenn du dich je gefragt hast, wie es sich anfühlt, in einem expressionistischen Drama zu leben, dann gibt dir Benns „Doppelleben“ eine ziemlich gute Vorstellung davon. Es ist, als würde man in einem Nebel aus Metaphern und Symbolen wandeln, immer auf der Suche nach dem nächsten klaren Gedanken.

Insgesamt ist „Doppelleben“ ein Buch, das dich fordert, aber auch reich belohnt. Es ist keine leichte Lektüre, aber wenn du bereit bist, dich auf Benns Welt einzulassen, wirst du mit tiefen Einsichten und einem besseren Verständnis für einen der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts belohnt.


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