Inhalt von „Saving 6“
Joey Lynch war schon immer ein Beschützer. Er baut wieder auf, was kaputt ist. Als sein älterer Bruder Darren die Stadt verlässt, stellt der zwölfjährige Joey fest, dass er auf seine jüngeren Geschwister und seine Mutter aufpassen muss. Als er in seine Teenagerjahre eintritt, verschärfen sich seine Kämpfe, wobei Joey der Sucht folgt, während er gleichzeitig seiner Familie gegenüber pflichtbewusst ist. Die Tochter seines Chefs ist das Einzige, was ihn über Wasser hält. Sie ist kompromisslos sie selbst, und obwohl er sich nicht auf sie einlassen will, kann er sich nicht von ihr fernhalten.
Aoife Molloy ist lebhaft und selbstbewusst. An ihrem ersten Tag in der weiterführenden Schule trifft sie auf einen hitzköpfigen Jungen, der in ihr eine neue brennende Neugier weckt, einen Jungen, der zufällig für ihren Vater arbeitet. Es ist keine gute Idee, sich mit ihm einzulassen, aber ihr Interesse wächst von Tag zu Tag.
Als eine komplizierte Freundschaft entsteht, beginnt Aoife, die Geheimnisse zu entdecken, die mit Joey Lynchs Leben verbunden sind, während er verzweifelt darum kämpft, sie davon fern zu halten.
Meine Meinung
Saving 6 hat mich direkt daran erinnert, warum die Boys-of-Tommen-Reihe so vielen Leuten unter die Haut geht: Chloe Walsh schreibt keine „süße“ Lovestory zum Nebenbeiweglesen, sondern eine emotionale Abrissbirne mit Herz. Man spürt von Anfang an, dass dieses Buch eine Vorgeschichte ist – es führt zurück, bevor Binding 13 überhaupt beginnt, und zeigt, wie Joey Lynch zu dem Menschen wird, den man später zwischen den Zeilen schon erahnt. Und das ist stellenweise brutal, weil Joey im Grunde viel zu früh erwachsen werden muss. Als Darren geht, bleibt ein zwölfjähriger Junge zurück, der plötzlich glaubt, er müsse alles zusammenhalten: Geschwister, Mutter, Haushalt, das ganze Chaos, das wie ein dunkler Schatten über der Familie hängt. Joey ist dieser typische „Beschützer“, aber nicht auf die romantisierte Art, sondern auf die Art, die einen innerlich zerreibt, weil niemand einen Zwölfjährigen dafür gebaut hat, den Krieg zu Hause auszuhalten und gleichzeitig so zu tun, als wäre er nur ein normaler Junge.
Genau in dieses Leben platzt Aoife Molloy – laut, selbstbewusst, lebendig, kompromisslos sie selbst. Und diese Kombi ist der Kern der Geschichte: Joey, der sich selbst am liebsten unsichtbar machen würde, der Nähe zwar braucht, aber nicht aushält, und Aoife, die sich nicht wegschieben lässt. Ihre Beziehung beginnt nicht als „große Liebe“, sondern als komplizierte Freundschaft, als magnetisches Hin-und-her, bei dem man ständig merkt, wie sehr Joey sie will und wie sehr er überzeugt ist, dass er sie nicht haben darf. Aoife wird für ihn zum Licht, aber eben nicht als kitschige Rettungsfantasie, sondern als Gegenpol: sie zeigt ihm, wie sich Leben anfühlen kann, wenn man nicht nur überlebt. Gleichzeitig entdeckt sie Stück für Stück die Geheimnisse, die Joey wie Stacheldraht um sich gewickelt hat – und das ist vielleicht das Schmerzhafteste: zu sehen, wie sehr er sie schützen will, aber dabei ausgerechnet das tut, was sie am meisten verletzt, nämlich sie auszusperren.
Was Saving 6 so intensiv macht, ist, dass die Sucht-Thematik nicht wie ein „Plot-Element“ wirkt, sondern wie eine logische, erschreckend nachvollziehbare Flucht aus einem Alltag, der zu groß für ein Kind ist. Das Buch hat weniger von der „romantischen Wärme“ wie bei Johnny und Shannon, sondern mehr von diesem düsteren Sog: Wut, Angst, Loyalität, Scham, Hoffnungslosigkeit – und dazwischen immer wieder kurze, kostbare Momente, in denen man Luft holen darf. Humor gibt es, aber eher als seltenes Aufblitzen, nicht als dauerhafte Leichtigkeit. Dadurch wirkt es noch echter, weil es sich anfühlt wie ein Leben, das ständig am Rand kippt.
Erzählt wird abwechselnd aus Joeys und Aoifes Perspektive, was hier wirklich wichtig ist, weil man sonst entweder Joey für zu unnahbar halten würde oder Aoife für zu stur. Mit beiden Innensichten wird klar: Sie kämpfen nicht gegeneinander, sie kämpfen gegen das, was sie geprägt hat – und manchmal verlieren sie dabei aus Versehen ein Stück voneinander. Genau das macht diese Geschichte so roh und so schwer wegzustecken. Saving 6 ist für mich deshalb weniger „romantisch schön“ als „emotional notwendig“: ein Buch, das erklärt, wie die Lynch-Familie zu dieser offenen Wunde werden konnte – und warum Liebe allein manchmal nicht reicht, aber trotzdem der einzige Grund ist, morgens aufzustehen.







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